Feyamius hat Recht, Belizeths Aktion hat nur indirekt mit Borbarads Rückkehr zu tun (steht ja auch im ersten zitierten Absatz). Ich habe mir die ganze Aktion immer so gedacht:
Erstens ist Belizeth eine extrem ambitionierte und begabte Magierin, die zunächst vollkommen im Rahmen ihrer tulamidischen Kultur und Tradition handelt, als sie ihren Vater und Akademieleiter Dschelef ibn Jassafer ablöst, der sich ja auch immer weniger um die Akademiebelange kümmert, sondern irgendwelchen Prophezeiungen hinterherforscht. Die Übernahme der Akademieleitung ist also ein koheränter und respektabler Schritt.
Zweitens schwelt der Konflikt zwischen Dämonologen und Elementaristen in Rashdul schon seit der Gründung der Akademie und in letzter Zeit (nämlich seit Dschelef nicht mehr den Deckel draufhält) verstärkt. In LdES wurde nachträglich publiziert, dass es in der Geschichte der Akademie schon mehrere Exilierungen des einen oder des anderen Zweiges gegeben hat: Immer wieder wollen beide Zweige beweisen, dass ihre Form der Zauberkunst die einzig richtige und wahre und traditionsgemäße ist. Vor diesem Hintergrund ist die Exilierung der Elementaristen durch die Dämonologin Belizeth also ebenfalls folgerichtig und plausibel, wenn auch objektiv nicht vernünftig (so wie die spätere Exilierung der Dämonologen durch Hasrabal folgerichtig aber unvernünftig ist).
Drittens lebt man im Tulamidenland mit der Auffassung, dass Macht denen gebührt, die sie sich nehmen können. Dass Belizeth nach der Macht über die Stadt Rashdul strebt, ist nicht per se verwerflich -- sie verstößt damit nicht gegen irgendein Gesetz oder so. Die Eroberung der Stadt zeugt allerdings in meinen Augen bereits schon von fortgeschrittenem Größenwahn, vor allem weil Belizeths Mittel jede Eleganz und Finesse vermissen lassen: Sie vernichtet die Rashduler Reiter im großen Stil, statt nur den Wesir zu verschleppen und meinetwegen durch einen Quitslinga zu ersetzen oder die Reiter (eine _Söldner_-Einheit) einfach mit Akademiemitteln zu _kaufen_. Damit zerstört sich Belizeth auch eine machtvolle militärische Ressource, was einfach idiotisch ist, weil sie fest damit rechnen muss, dass sowohl die Reiter der Beni Avad (treue Gefolgsleute der Shanya) als auch die Armee des Kalifen sich gegen sie stellen und die Schmach der Exilierung Shanya Eshilas nicht hinnehmen werden.
Trotzdem glaube ich viertens, dass Belizeth neben Größenwahn und dem Wunsch, ihrem Vater richtig eins auszuwischen, weitere lautere Gründe hatte: Mit der Rückkehr Borbarads bricht eine Zeit an, in der Dämonen im Limbus nahe der dritten Sphäre lauern oder gar frei auf Dere herumstreunen können. Gerade in der Nähe der Gorischen Wüste werden zunehmend freie Dämonen gesichtet und der Sphärenspalt bricht durch Borbarads Wirken immer weiter auf (er will ihn ja auch in der Dritten Dämonenschlacht nutzen, was durch den Sphärenschlüssel verhindert wird). Belizeth kann gar nicht anders, als zu glauben, dass nur die Rashduler Dämonologen diese Situation kompetent meistern können werden: Ob gegen oder sogar mit Borbarad, falls das nötig werden sollte. Belizeth geht ähnlich aber vorsichtiger vor wie Abu Terfas, der die Tulamidenlande mit seinen Chimären ja ebenfalls unterwerfen wollte, um dann ein gleichberechtigtes Bündnis mit Borbarad zu schließen. Sie versucht -- wie gesagt etwas ungeschickt -- sich eine Machtbasis zu schaffen, auf der sie in kommenden Zeiten verhandeln kann: Wenn Borbarad siegt (was Belizeth mit Sicherheit vernünftigerweise erwartet), dann hat sie ihre dämonologische Kompetenz immerhin schon bewiesen und hat damit guten Aussichten, einen mächtigen Statthalterinnen-Posten in seinem Reich zu bekommen und damit recht eigenständig zu bleiben (das ist das Beste, was sie für ihre Akademie tun kann). (Wahrscheinlich erwartet sie sogar, dass sich ihr Einfluss unter Borbarad auf das ganze Tulamidenland ausdehnen wird, denn die Akademien Fasar und Khunchom haben sich ja bereits offen _gegen_ Borbarad gestellt und haben keine Gnade zu erwarten.) Wenn "die Mittelreicher" siegen (ich glaube nicht, dass Belizeth sich ernsthaft beteiligt am Kampf gegen Borbarad fühlt), dann ist Belizeths künftige Machtbasis die Kompetenz ihrer Akademie im Kampf gegen die dämonischen Schrecken, die Borbarads Einbruch in die Welt hinterlassen hat -- ihre Dienste werden sehr gefragt sein und werden sich meistbietend versteigern lassen können, was ebenfalls zum Besten Rashduls ist.
Ich finde, dass man ihr Handeln so ganz gut erklären kann -- es ist politisch und vorausschauend, kompromisslos und traditionsbewusst, also alles, was man von tulamidischen Potentaten erwarten würde. Es ist aber leider nicht sonderlich klug, mit etwas weniger Arroganz und Machtwillen hätte Belizeth sicherlich starke Bündnisse schmieden können, die mehr Sicherheit versprochen hätten. Andererseits wäre das Risiko im Falle eines borbaradianischen Sieges im Norden größer gewesen, weil Belizeth sich dann erst nochmal günstig hätte positionieren müssen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Belizeth so fest mit Borbarad gerechnet hatte, dass sie sich zu ihrem Handeln schier gezwungen sah.
Soweit, ich hoffe das hilft. Lieber Gruß, Tyll
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